Advent I

Fridericus Spee
Reiß‘ die Himmel auf

Es ist Advent. Was bedeutet das eigentlich?

Ich bin auf einem Weihnachtsmarkt. Oder ist es ein Adventsmarkt? Sagt man so nicht, oder? Man sagt Weihnachtsmarkt, weil er in der Vorweihnachtszeit stattfindet und dann bis Weihnachten da ist. Adventsmarkt klingt komisch. Vorweihnachtsmarkt auch.

Es ist gemütlich hier. Ein kleines Rund, man kann einen inneren und einen äußeren Ring an den Buden vorbei gehen. Gleich zum Eingang eine Hütte. Drin stehen Musiker mit ihren Instrumenten. Blasmusik. Echte Musiker, die auf ihren echten Instrumenten spielen. Trotz Kälte, mit etwas steifen Fingern. Ich schlendere weiter. Da ertönt das erste Lied. „Tochter Zion, …“ Ein Adventslied. Ansonsten hört man ständig Weihnachtslieder. Es ist noch nicht Weihnachten. Aber in dieser Vorweihnachtszeit auf den Vorweihnachtsmärkten wird alles in einen großen Topf geworfen. Die Stimmung ist entscheidend. Fröhlich, in froher Erwartung. Aber warum warten? Nehmen wir gleich alles, was wir kriegen können!

Wann isst man die Plätzchen? Jeder hat da jetzt seine eigene Strategie. Manche durften früher erst an Weihnachten Plätzchen essen. Die stopfen sie jetzt in sich rein, als ob es kein Morgen gäbe. Andere sagen, die Adventszeit wäre eine Fastenzeit und essen Plätzchen erst an Weihnachten. Oho! Das sind doch Puristen, die wissen das Leben nicht zu genießen und außerdem hemmen sie das Wirtschaftswachstum! Herausgefallen aus der Zeit sind die. Nehmen wir gleich alles, was wir kriegen können!

Zurück zu den Adventsliedern. Wovon handeln die eigentlich? Frohe Erwartung, das Christkind kommt bald. Aber es geht auch anders. Manchmal nimmt die Ungeduld überhand: Komm endlich runter, die Zustände sind unerträglich! Weil das mal ein anderer Ton ist, mag ich dieses Lied so.

Früher mochte ich es nicht. Ich erinnere mich in der Kirche sitzend, die Orgel spielte die Akkorde getragen und langsam und wir sangen
„Reiß‘ ab vom Himmel Tor und Tür…“. Schön brav. Passte nicht und es war langweilig. Später erkannte ich, nicht das Lied war langweilig, sondern die Weise, wie wir es gesungen haben. Daher bevorzuge ich heute eine etwas agressivere Herangehensweise. Hier schreit jemand zum Himmel in höchster Verzweiflung!

Der Autor hat’s nicht leicht gehabt. Er wurde bei einem Anschlag auf sein Leben schwer verletzt. Er war gegen Folter und Hexenprozesse, was seiner Karriere in der Gesellschaft Jesu und als Professor schadete. Außerdem war gerade der dreißigjährige Krieg. Kein Wunder also, dass es in dem Lied sprachlich viel Dynamik gibt: Reißen, gießen, fließen, brechen, regnen, ausschlagen, springen. Das muss sich auch in der Musik widerspiegeln.

Gemütlich Warten auf das schöne Fest kann man mit getragenem Bläserchor auf dem Weihnachtsmarkt mit Punsch und Lichtern. Aber wenn der Himmel aufreißt und wer herabkommt, was dann?

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