Absteigendes D-Moll

Schon etwas traurig

Letztens hörte ich dieses Stück in D-Moll. Das ist erst einmal nichts Ungewöhnliches. Was hat man im Musikunterricht gelernt? Dur ist fröhlich, Moll ist traurig. Oder, wenn man berücksichtigt, dass es italienische Begriffe sind, klingt das eine hart und das andere weich. So schreibt ein gewisser Mizler im 18. Jahrhundert „daß alle Dur=Thone munter scharf und lustig, hingegen alle Moll=Thone, sittsam angenehm und traurig klingen, welches die Erfahrung beweiset.“ [Mizler] Das wäre also mal geklärt.

Befasst man sich etwas mehr damit, stellt sich heraus, dass nicht alle gleich hart und weich sind, sondern es einen Unterschied macht, ob ein Stück in D-Moll oder in C-Moll geschrieben ist. Mizler schreibt weiter, dass „Rechtschaffene Musici einen duncklen Begriff“ von der Eigenart einer jeden Tonart haben, was sich jedoch nicht weiter erklären ließe. Dagegen meint Johann David Heinichen, dass die Wirkung eines Musikstücks nicht von den angeblichen Eigenschaften einer Tonart, sondern nur vom Einfallsreichtum des Komponisten abhänge [Heinichen]. Gelinge einem Komponisten, die Zuhörer zu Tränen zu rühren, schaffe er dass sowohl in A-Moll, als auch in G-Moll. Andere geben jeder Tonart ganz bestimmte Charaktereigenschaften. Nach dem Motto: Willst Du etwas richtig verzweifelt Trauriges schreiben, nimm C-Moll, soll es eher melancholisch mit zärtlichen, oder sogar leicht scherzhaften Anklängen sein, nimm A-Moll.

Weiter ausgearbeitet hat diese Theorie Johann George Sulzer. Er teilt Dur- und Moll-Tonarten in je 3 Kategorien ein: Dur in am reinsten, härter, am härtesten und Moll in am reinsten, weicher, am weichsten [Sulzer]. Was bedeutet das jetzt für mein eben gespieltes Stück? Laut Sulzer gehört D-Moll zu den reinen Molltonarten. Also nicht so super weich, nicht geeignet für überbordende Emotion. In das gleiche Horn bläst der Franzose Masson mit der vagen Formulierung „aus unerfindlichem Grund ist die Schwermut mit Freude durchmischt“ [Masson]. Ebenfalls ein Franzose, der berühmte Hector Berlioz, beschreibt D-Moll als „düster, klangvoll, ein wenig gewöhnlich“ [Berlioz]. Pah! Hands ganz anderer Meinung nach behandelt D-Moll aber auch den „heftigen, herzzerschneidenden Schmerz“ [Hand]. Schubart bescheinigt der Tonart gar „schwermütige Weiblichkeit, die Spleen und Dünste brütet“ [Schubart]. What??

Ich muss feststellen, dass ich hier keine eindeutige Übereinstimmung festzustellen vermag. Hinzu kommt noch der Unterschied, ob man die einzelnen Töne des D-Moll-Dreiklangs nach oben oder nach unten spielt. Bei der Linie nach oben scheint Massons eingemischte Freude hörbar, zumindest ein wenig Hoffnung, da es ja aufwärts geht. Alternativlos düster und bedrückt hingegen der Dreiklang nach unten. Da ist alle Hoffnung verloren: A – F – D.

Quellennachweis:

Masson
Charles Masson: Nouveau Traite des Regles de la Composition de la Musique. Paris 1697.

Heinichen
Johann David Heinichen: Der General=Baß in der Composition. Dresden 1728.

Mizler
Lorenz Christoph Mizler: Neu eroeffnete Musicalische Bibliothek Oder Gruendliche Nachricht nebst unpartheyischem Urtheil von musikalischen Schriften und Buechern, Bd. 1. Leipzig 1736-38, Teil 1, S. 34 ff.

Schubart
Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst. Wien 1806.

Sulzer
Johann George Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. 5 Bde. Leipzig 1792 ff.

Hand
Ferdinand Gotthelf Hand: Aesthetik der Tonkunst, Erster Theil. Leipzig 1837.

Berlioz
Louis Hector Berlioz: Grand Traté d‘Instrumentation et d‘Orchestation modernes. Paris 2/1856.

Vielen Dank an koelnklavier.de für die Übersicht und die Quellen.

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